Helga Schubert, Der heutige Tag
Vielleicht ist einer von uns morgen schon nicht mehr da.”Über fünfzig Jahre lang teilen sie ihr Leben. Doch nun ist der Mann schwer krank. Lange schon palliativ umsorgt, wird sein Radius immer eingeschränkter, der Besuch weniger, die Abhängigkeiten größer. Entlang der Stunden eines Tages erzählt Helga Schubert davon, wie man in solchen Umständen selbst den Verstand und der andere die Würde behält, wie es ist, mit einem todkranken Menschen durch dessen Zwischenwelten zu wandeln. Und davon, wie Liebe zu Erbarmen wird. Die Texte mäandern in der gemeinsamen und der eigenen Vergangenheit, sind von zartem Humor und frei von Pathos. Eine rührende Liebeserklärung an den Mann an ihrer Seite und all die Dinge, die das Leben inmitten der Widrigkeiten des Alters lebenswert machen.
Milena Michiko Flasar, Oben Erde, unten Himmel
Suzu, die, einst zum Studieren in eine japanische Großstadt gezogen ist droht, sich in der sozialen Isolation zu verlieren.Bei ihrem neuen Job als Reinigungskraft für “Kodokushi”, lange unentdeckt gebliebene Todesfälle, lernt die Protagonistin, ihrer Einsamkeit zu begegnen, und macht die Bekanntschaft neuer, ganz verschiedener Menschen und gewinnt damit wieder an Lebensfreude und Sozialkontakten
Siri Hustvedt, Mütter,Väter und Täter
Siri Hustvedts Themen in dieser neuen, sehr persönlichen Sammlung von erstaunlichen Essays reichen von der Natur von Erinnerung und Zeit bis zu dem, was wir von unseren Eltern erben, und sie erweitern ihre bekannten Forschungsgebiete: Feminismus, Psychoanalyse, Neurowissenschaften, die Kunst, das Denken und das Schreiben. An lebendig erzählten Beispielen aus ihrer privaten Familiengeschichte und Lebenserfahrung zeigt Hustvedt, wie porös die Grenzen zwischen uns und den anderen, zwischen Kunst und Betrachter, zwischen dem Ich und der Welt sind. Und so privat diese abwechslungsreiche Reise durch die unterschiedlichsten Themenfelder erscheint, so universell ist sie letztlich – ein vorläufiges Fazit von Siri Hustvedts lebenslanger Auseinandersetzung mit der Frage, wie wir funktionieren und was uns als Menschen zusammenhält.
Michael Köhlmeier, Frankie
Frank ist vierzehn, lebt in Wien, kocht gern und liebt die gemeinsamen Abende mit seiner Mutter. Aber dann gerät sein Leben durcheinander. Der Großvater ist nach achtzehn Jahren aus dem Gefängnis entlassen worden. Frank kennt ihn nur von wenigen Besuchen. Der alte Mann reißt den Jungen an sich, einmal tyrannisch, dann zärtlich. Frank ist fasziniert von ihm.
Wie man erwachsen wird, wie schwierig die Frage nach dem “Warum” ist, was das Rationale und das Irrationale unterscheidet und wie der Zufall den Weg weist, auch den ins Unheil, wird hier mit allen Finessen der Erzählkunst ausgebreitet.”
Arno Geiger, Das glückliche Geheimnis
Spannend und berührend erzählt Arno Geiger in diesem ungewöhnlichen und ungewöhnlich intimen Roman von seinem jahrzehntelangen Doppeleben als Autor und Altpapiersammler.. Er erzählt von Geigers Geheimnis, wie dieser zur Schriftstellerei gefunden hat: Als eine Art Altpapiersammler fuhr – und fährt – er frühmorgens durch Wien und durchforstet die Müllcontainer nach privaten Schriftstücken: Tagebüchern, Notizen, Briefen, aus denen er das “normale Leben” kennenlernt, das seine eigenen Texte so schön grundiert.
John von Düffel, Das Wenige und das Wesentliche
Ein Stundenbuch
Ein Neujahrsmorgen im ligurischen Hinterland. Ein klösterliches Zimmer. Eine Landschaft, die zugleich karg ist und grün. In dieser stillen Umgebung, an diesem Tag des Anfangs und des Endes stellt sich die älteste Frage von allen noch einmal neu: Wie lebe ich richtig? Es beginnt ein Gedankengang durch die Stunden des Tages von vor Sonnenaufgang bis nach Sonnenuntergang, von den Anfängen der Lebensbetrachtung bis in die Gegenwart und darüber hinaus. Dieses Buch ist eine Einladung, die Suche nach der richtigen Richtung mitzugehen: im Nachdenken über Sinn und Sein, über die Lebensregeln des Wenigen und Wesentlichen sowie die klassischen Imperative der Schönheit, des Maßes und der Selbsterkenntnis.
Herta Pauli, Ein Riss der Zeit geht durch mein Herz
Zsolnay Verlag, 25€
Der Riss der Zeit geht durch mein Herz” ist ein Heinrich-Heine-Zitat, das die Autorin und Schauspielerin Hertha Pauli auf ihren Fluchtwegen über Zürich, Paris, Marseille, Lissabon bis in die USA begleitet hat. Sie ist diese Wege nicht alleine gegangen, sondern mit Freunden, : Joseph Roth, Walter Mehring, Franz und Alma Werfel und vor allem Ödön von Horváth, dem sie eines der schönsten Kapitel dieses wunderbaren und lange vergessenen Erinnerungsbuches widmet. In den späten Jahren pendelte Hertha Pauli regelmäßig zwischen ihrer neuen Heimat New York und ihrer Geburtsstadt.
Edouard Louis, Anleitung ein Anderer zu werden
Aufbau Verlag, 24€
Mit Mitte zwanzig hat er schon mehrere Leben hinter sich: Eine Kindheit in extremer Armut, die Scham über die eigene Herkunft, die Flucht vom Dorf in die Stadt, den Aufbruch nach Paris. Er macht sich frei von den Grenzen seiner Herkunft, nimmt einen neuen Namen an, liest und schreibt wie ein Besessener, probiert sich aus, will alle Leben leben. Immer neue Welten erschließen sich ihm. Mit unbändiger Energie erfindet er sich wieder und wieder, schließt Freundschaften und hinterfragt doch die radikale Selbstveränderung, die sich nie ganz vollendet. Édouard Louis hat ein großes Buch geschrieben darüber, was man zurücklässt, wenn man bei sich selbst ankommt.
Und was es kostet, das eigene Leben radikal neu zu erfinden
Ulla Hahn , Tage in Vitopia
Penguin Verlag, 24€
Eine Konferenz der Tiere für das 21. Jahrhundert
In den Bäumen vor der Villa an der Alster lebt eine Eichhörnchenfamilie. Wie die Menschen die Eichhörnchen beobachten die Eichhörnchen die Menschen. Und denken über sie nach. Nicht nur über das Wissenschaftlerpaar, das in der Villa lebt, ihre Leidenschaft für Musik, Literatur und Kunst, sondern über die Menschheit als Ganzes. “Seit ich sie kannte, scheiterte ich an der Frage, wieso diese Menschen, die doch so viel wussten und so viel Schönes und Kluges hervorbrachten – wieso setzten sie nicht alles daran, diesen Entwürfen zu folgen?” Nach dem Vorbild des Hambacher Forstes beginnen die Tiere in Vitopia einen Kongress, für den Raum und Zeit und die Grenzen zwischen Mensch, Tier und künstlicher Intelligenz keine Rolle spielen.
“Tage in Vitopia” sprüht vor Phantasie, Sprachlust und Neugier auf alles, was je gedacht worden ist, und alles, was daraus entstehen könnte, wenn wir Menschen endlich begreifen, was es bedeutet, dass die Erde allen gehört und alle der Erde gehören.
Daniela Dröscher, Lügen über meine Mutter
Kiepenheuer&Witsch Verlag, 24€
Daniela Dröscher erzählt aus zweierlei Perspektiven vom Aufwachsen in einer Familie.Eine Kindheit im Hunsrück der 1980er, die immer stärker beherrscht wird von der fixen Idee des Vaters, das Übergewicht seiner Frau wäre verantwortlich für alles, was ihm versagt bleibt: die Beförderung, der soziale Aufstieg, die Anerkennung in der Dorfgemeinschaft. Und es ist eine Befragung des Geschehens aus der heutigen Perspektive: Was ist damals wirklich passiert? Was wurde verheimlicht, worüber wurde gelogen? Und was sagt uns das alles über den größeren Zusammenhang: die Gesellschaft, die ständig auf uns einwirkt, ob wir wollen oder nicht.
Ein ebenso berührender wie kluger Roman über subtile Gewalt, aber auch über Verantwortung und Fürsorge. Vor allem aber ist dies ein Buch über eine starke,eigenwillige unberechenbare Frau, die nicht aufhört, für die Selbstbestimmung über ihr Leben zu kämpfen
Serhij Zhadan, Himmel über Charkiw
Suhrkamp Verlag, 20€
Nachrichten vom Überleben im Krieg | Friedenspreis des Deutschen Buchhandels 2022
Das Buch ist eine Chronik der laufenden Ereignisse,raue, ungeschliffene, aus dem Moment heraus verfasste Skizzen – das Zeugnis eines Menschen in der Ukraine, der während des Schreibens in eine neue Realität eintritt und sich der Vernichtung von allem entgegenstemmt. Kein einsamer Beobachter, sondern ein aktiver Zivilist in einer Gesellschaft, die in den letzten acht Jahren gelernt hat, was es bedeutet, gemeinsam stark zu sein.